Digitale Genehmigungsverfahren beim Glasfaserausbau in Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg. Eine Case Study.
Mit der zunehmenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft steigt der Bedarf an leistungsfähigen Glasfasernetzen. Die Landkreise Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg haben sich aus diesem Grund gemeinsam mit dem Telekommunikationsunternehmen WEMACOM das Ziel gesetzt, einen großflächigen Netzausbau für alle Haushalte und Gewerbe in der Region zu erreichen. So sollen die Landkreise als Lebens- und Wirtschaftsstandort nachhaltig attraktiver gestaltet werden. Dafür konnten digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren genutzt werden, um den Ausbau mithilfe von Geodatenportalen zu beschleunigen. Dabei bildet eine elektronische Schnittstelle nicht nur alle Geodaten des Ausbaugebietes ab, sondern besitzt darüber hinaus ein integriertes Ampelsystem, um den Anwendern aufzuzeigen, in welchen Bereichen Anträge eingereicht werden müssen.
Kurzprofil
- Projektzeitraum
- 2019 bis 2023
- Gemeinden
- Landkreis Ludwigslust-Parchim (13 Cluster)
Landkreis Nordwestmecklenburg (14 Cluster)
- Beteiligte Akteure
- 31 Amtsverwaltungen und 2 amtsfreie Städte, 14 Fachdienste der Landkreise, 22 Träger öffentlicher Belange (Landesbehörden und Telekommunikationsunternehmen), 6 Planungsbüros, 15 Tiefbauunternehmen mit ca. 500 Tiefbauern- und Monteuren, 100 Mitarbeiter*innen WEMACOM (Projektteam)
- Haushalte
- 60.000 Hausanschlusspunkte, über 82.000 Haushalte
- Eingeholte Genehmigungen
- 4.400 km Tiefbau, 9.200 km Leerrohre, 13.700 km Glasfaserkabel, 3.700 Standortgenehmigungen (Kabelverzweiger – KVz, Multifunktionsgehäuse – MFG, Point of Presence – PoP)
- Netz
- FTTH (Point to Point – PtP)
- Projektpartner
- WEMACOM Breitband GmbH
- Browserbasierte Geoinformationssysteme
- KVW-MAP (Ludwigslust-Parchim)
KGIS (Nordwestmecklenburg)
Viele Herausforderungen erschweren den flächendeckenden Gigabitausbau
Dem flächendeckenden Ausbau mit gigabitfähigen Netzen stehen eine Reihe von Herausforderungen gegenüber. Neben der Knappheit an qualifizierten Fachkräften und der wirtschaftlich schwierigen Erschließung ländlicher Gebiete ist auch die teilweise lange Dauer der Genehmigungsverfahren bei Ausbauprojekten ein Hemmnis, wie auch die begrenzten Ressourcen bei den zuständigen Genehmigungsträgern. Insbesondere letztgenannte Punkte bieten Anlass, Verwaltungsdienstleistungen auf digitale Portale umzustellen.
Digitale Verfahren nutzen Geodatenportale für einen schnelleren Projektstart
Telekommunikationsdienstleister und Planungsbüros müssen vor Bauvorhaben viele Behörden kontaktieren. Durch die vorherige Identifikation der relevanten Anträge für die entsprechenden Stellen, kann es zu Verzögerungen bei der aktiven Bauumsetzung kommen. Um diese Hürden schneller überwinden zu können, nutzen die Landkreise Geodatenportale, wie bspw. das KVW-MAP im Landkreis Ludwigslust-Parchim.
In diesen Web-basierten Geoportalen werden alle verfügbaren Geodaten geführt. Diese umfassen u.a. Luftbilder, automatisierte Liegenschaftsbücher, Naturschutzdaten, Denkmalschutzmerkmale, Bebauungspläne und Flächennutzungspläne. Da der Zugriff einfach über einen Browser erfolgen kann, haben die beteiligten Akteure (Landkreisverwaltungen, Amtsverwaltungen, Landes- und Bundesbehörden, Planungsbüros, Träger öffentlicher Belange), ortsunabhängig und unabhängig von zu installierender Software einen einfachen Zugriff auf die verfügbaren Daten.
Im Rahmen des geplanten Glasfasernetzausbaus wurden diese Portale um die Fachschale „Genehmigungsverfahren“ erweitert. Dabei handelt es sich um eine Komponente, welche eine spezielle fachliche Sicht auf Datenbestände abbilden kann. Des Weiteren wurde ein Ampelsystem für die digitalen Antrags-, Abstimmungs- und Freigabeprozesse eingefügt.
Das Ampelsystem visualisiert die Genehmigungsvoraussetzungen
Im digitalen Genehmigungsverfahren wird zunächst eine Entwurfsplanung in das Geodatenportal geladen. Der Planer hinterlegt dabei die Trassenverläufe, die Verlegeart, Verlegetiefe und für Kabelverzweiger (KVz), Multifunktionsgehäuse (MFG) und am Point of Presence (PoP) die jeweiligen Standortsicherungsblätter. Anschließend prüft jeder Genehmigungsträger seinen Bereich und kann über die Ampel- und Kommentarfunktion Anmerkungen, Kommentare oder Änderungswünsche hinterlegen. Dabei sind alle verfügbaren Geodaten zu- bzw. abschaltbar. Somit kann der Genehmigungsträger die Trasse gegen alle notwendigen Unterlagen detailliert am Bildschirm prüfen. Die Ampelfunktion zeigt für Bereiche, hinter denen Änderungshinweise, Anmerkungen und Kommentare stehen, die Farbe Rot an. Die restlichen geprüften und freigegebenen Bereiche stellen die Ampel auf Grün. Parallel kann jeder Genehmigungsträger die Anmerkungen und Änderungswünsche der anderen Akteure einsehen. Diese frühzeitige Transparenz trägt zur Vermeidung von Ziel- und Nutzungskonflikten im Verfahren bei.
Der Planer kann nun alle Anmerkungen der rot markierten Bereiche überprüfen und die Planung entsprechend anpassen. Die Ampel geht dann in diesen Bereichen auf den Status Gelb. In Bereichen, in denen der Planer die Änderungswünsche nicht berücksichtigen kann, kommt es zu einem Scoping-Verfahren, um den Trassenverlauf zu klären. Ziel ist es, dass am Ende dieses Verfahrens alle Ampeln von Rot auf Gelb gestellt sind.
Der Genehmigungsträger prüft im Abschluss, ob die Anmerkungen eingearbeitet wurden oder ob die Planung entsprechend verändert wurde. Sollte der Planer alle Änderungswünsche entsprechend berücksichtigt haben, schaltet die Ampel auf Grün und die Entwurfsplanung wird freigegeben.
Nun kann der Stand der Entwurfsplanung eingefroren werden und ist im Nachgang nicht mehr veränderbar und somit beweissicher. Der Planer lädt im Anschluss die fertigen Anträge und Genehmigungsplanungen hoch. Die Genehmigungsschreiben werden dann durch die berechtigten Beteiligten erstellt. Das gesamte Verfahren läuft digital und erleichtert so die Zusammenarbeit der Behörden und Unternehmen.
Digitale Genehmigungen ermöglichen dreimal schnellere Umsetzungen
Die WEMACOM Breitband GmbH, ein Telekommunikationsdienstleister aus Schwerin, erhielt den Zuschlag für den geförderten Breitbandausbau in Nordwestmecklenburg. Aufgrund bisheriger Erfahrungen der WEMACOM wurde deutlich, dass „klassische“ papierbasierte Genehmigungsverfahren aufgrund des höheren Zeitaufwandes und begrenzter Ressourcen weniger zukunftsorientierte Vorgehensweisen darstellen.
Das Unternehmen hatte schon früh Interesse, neue Wege zu beschreiten und stellte das Verfahren bei den Landkreisen vor, die dies dann gemeinsam umsetzten. Zusammen mit der WEMACOM sind die Landkreise als Verfahrensführer für die Steuerung aller beteiligten Stellen zuständig. Die Systeme werden dabei von den Landkreisen zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurden Planungsbüros beauftragt, die im Projektverlauf den Großteil der Kommunikation mit den Genehmigungsträgern übernahmen.
Bereits einen Monat nach Beginn der aktiven Projektphase zeigte das virtuelle Ampelsystem bei allen einzuholenden Genehmigungen auf Grün und die finale Freigabe für den Ausbau lag vor. Mit den „alten“ analogen Verfahren hätte der Ausbau nicht so schnell beginnen können; von Antragstellung bis Bewilligung vergingen meist drei bis vier Monate.
Neben des transparenten und schnellen Ablaufs digitaler Genehmigungen hat das digitale Genehmigungsverfahren weitere Vorteile. Dazu gehört der gemeinsame Zugriff auf die gleichen Datengrundlagen, die übersichtliche Kommentarfunktion und die einfache Handhabung auch im Homeoffice. Durch das übersichtliche System konnten alle Anträge über die Unternehmen zielgerichtet gestellt und von den zuständigen Behörden bearbeitet werden. Weiterhin konnten durch die papierlose Bearbeitung rund zwei Tonnen Papier gespart werden.
Digitale Genehmigungskonzepte sind effizienter, nachhaltiger und umweltschonender
Das digitale Verfahren ist signifikant schneller in der Umsetzung und leistet einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das Verfahren beschreibt einen zukunftsorientierten Ansatz, der auch für weitere Gemeinden und Landkreise relevant ist. Durch die digitale Abwicklung des Verfahrens war es auch während der Corona-Pandemie möglich, ein Genehmigungsverfahren dieser Größe aufrechtzuerhalten, die Genehmigungsträger zu erreichen und adäquat zu beteiligen. Die digitalen Antrags- und Genehmigungsverfahren sollen neben dem Breitbandausbau bald auch für klassische Bauvorhaben verwendet werden.
Mehr Informationen zu den Projekten finden Sie hier:
Projektbeschreibung Ludwigslust-Parchim
Projektbeschreibung Nordwestmecklenburg