Ein Mosaik aus Teilprojekten: Landkreis Mittelsachsen zum Glasfaserausbau – Interview mit Mattias Borm
Der Gesprächspartner: Mattias Borm
Mattias Borm ist seit 2018 Breitbandkoordinator für den geförderten Glasfaserausbau im Landkreis Mittelsachsen. Seitdem arbeitet er daran, ein einheitliches Ausbaukonzept umzusetzen und gleichzeitig die neuen Förderprogramme strategisch zu gestalten. Sein Ziel: den Landkreis bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser oder vergleichbaren Technologien zu versorgen – in engem Zusammenspiel mit dem eigenwirtschaftlichen Ausbau, den er ebenfalls fachlich begleitet.
Gigabitbüro des Bundes: Der Glasfaserausbau im Landkreis Mittelsachsen umfasst zahlreiche Teilprojekte, Förderprogramme und beteiligte Partner. Wie ist der aktuelle Stand des Glasfaserausbaus im Landkreis?
Mattias Borm: Unser Landkreis besteht aus 52 Kommunen und ist einer der größten Flächenlandkreise in Sachsen. Als wir 2018 die koordinierende Rolle für den Breitbandausbau übernommen haben, haben wir zunächst jede Kommune analysiert: Wer hat welche weißen Flecken? Welche Projekte laufen gut? Was hat sich nicht bewährt? Heute arbeiten wir mit sieben Clustern im Weiße-Flecken-Programm, die zusammen rund 60 Prozent der Fläche abdecken. Für alle Cluster haben wir zusätzlich das Graue-Flecken-Synergie-Upgrade beantragt, um Erweiterungs- und Vortriebsoptionen* (Reservekapazitäten) direkt mitzudenken.
Insgesamt haben wir rund 95.000 Gebäude im Landkreis. Etwa 15.000 sind bereits eigenwirtschaftlich erschlossen. In den weißen Flecken inklusive Erweiterungen erschließen wir rund 32.000 Gebäude, im Gigabit-Programm weitere 26.000. Durch synergetischen Eigenausbau kommen noch einmal etwa 3.200 hinzu. Am Ende bleiben nach aktueller Sicht etwa 5.400 unterversorgte Adressen übrig. Spätestens 2029 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, damit der Landkreis bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser versorgt ist.
Gigabitbüro des Bundes: Damit ein so groß angelegter Ausbau funktionieren kann, braucht es klare Strukturen und viele beteiligte Akteure. Wer wirkt beim Glasfaserausbau mit, und wie ist der Ausbau organisatorisch aufgestellt?
Mattias Borm: Im Weiße-Flecken-Programm sind 35 Kommunen beteiligt. Da die Projekte aber jeweils nur bis zu bestimmten Bandbreitengrenzen ausbauen dürfen, gibt es überall Restpotenziale. Deshalb haben wir ab 2020 begonnen, mit den Kommunen Vereinbarungen zur Aufgabenübertragung zu schließen. Seit 2022 hat der Landkreis die Restaufgaben vollständig übernommen, führt selbst die Markterkundungen durch und stimmt alles im Branchendialog ab.
Für den Gigabit 2.0-Aufruf konnten wir dank intensiver Vorbereitung (vollständige Datengrundlagen, kommunale Vereinbarungen, Aufarbeitung alter Projekte) sehr erfolgreich starten. Wir konnten sechs weitere Cluster beantragen.
Darüber hinaus konnte der Landkreis für alle Kommunen, die nicht Bestandteil der Gigabit 2.0 Cluster sind, 13 Projekte aus dem Lückenschluss-Pilotprogramm auf den Weg bringen.
Gigabitbüro des Bundes: Das sind eine Vielzahl an beteiligten Kommunen, Clustern und Unternehmen. Wo liegen die größten Herausforderungen, wenn man so viele Fäden gleichzeitig in der Hand halten muss?
Mattias Borm: Die größte Herausforderung ist das Adress- und Datenmanagement. Wir aktualisieren jährlich die komplette Adresskulisse, inklusive Neubauten, Hausnummernänderungen, geänderte Trassen, Messfehler und Gemarkungsänderungen. Auch Änderungen aus kommunalen Projekten müssen präzise eingearbeitet werden.
Wir betreiben zudem umfangreiche GIS-Karten: eine Projektkarte aller Bau- und Fördermaßnahmen und eine Versorgungskarte (ohne Angabe der Unternehmen), die Bürgerinnen und Bürger einsehen können. Hinzu kommt die Koordinierung von vier aktiven Unternehmen: Deutsche Telekom, eins energie in Sachsen, Mitteldeutsche IT sowie Deutsche Glasfaser. Durch die verpflichtende Mitnutzung entstehen komplexe Abhängigkeiten, vor allem wenn ein Projekt stockt und ein anderes bereits weiterbaut.
Gigabitbüro des Bundes: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kommunikation vor Ort. Wie kommunizieren Sie mit den Bürgerinnen und Bürgern, und wie begegnen Sie Informationsbedarf oder Sorgen?
Mattias Borm: Wir haben ein Ticketsystem aufgebaut und gleichzeitig eine sehr umfassende Breitband-Webseite im Landkreisportal erstellt: FAQ, Ausbaukarten, Projektübersichten, Unternehmensübersichten und jeweilige Projektlinks, Informationen zu Hausanschlüssen und Tarifen. Ein wichtiges Element ist zudem ein verpflichtender Low-Budget-Tarif in jedem Projekt, oft unter 30 Euro. Menschen mit geringem Einkommen zahlen damit nicht mehr als vorher im Kupfernetz. Das senkt Hemmschwellen enorm. Im ländlichen Raum brauchen Menschen einfach etwas mehr Zeit. Viele entscheiden sich erst, wenn sie sehen, dass bei Nachbarn alles gut läuft. Deshalb drängen wir nicht, sondern schaffen Transparenz, Sicherheit und Zeiträume. Parallel ermöglichen wir es den Bürgerinnen und Bürgern in nicht förderfähigen Bereichen, sich während laufender Baumaßnahmen eigenwirtschaftlich anschließen zu lassen. Ab 2026 werden wir in der Karte auch Bauzeitpläne pro Adresse anbieten.
Gigabitbüro des Bundes: Zum Abschluss: Was würden Sie anderen Kommunen mit auf den Weg geben, um den Glasfaserausbau erfolgreich voranzutreiben?
Mattias Borm: Für uns gibt es eine Reihe von Faktoren, die über den Erfolg eines flächendeckenden Glasfaserausbaus entscheiden. An erster Stelle stehen klare Zuständigkeiten. Es muss eindeutig geregelt sein, ob der Landkreis oder die Kommune koordiniert; Doppelstrukturen führen erfahrungsgemäß schnell zu Reibungsverlusten. Ebenso wichtig ist eine saubere Datenbasis. Ohne vollständige Grundbuch-, Vermessungs- und Adressdaten lässt sich ein solches Projekt nicht verlässlich steuern; gute Vorbereitung verhindert später viele Korrekturschleifen.
Darüber hinaus braucht es ein flächendeckendes Denken, statt sich in Einzelprojekten zu verlieren. Wer wirklich jeden Haushalt anbinden will, benötigt eine Gesamtstrategie, die alle Ausbaupotenziale zusammenführt.
Ein weiterer zentraler Baustein ist der regelmäßige Branchendialog. Unternehmen dürfen sich nicht gegenseitig überbauen oder blockieren. Wir haben deshalb eine Landkreiskonferenz etabliert, in der sich alle Firmen und Behörden abstimmen und sich auf gemeinsame Prinzipien wie Mitnutzung und Koordination verständigen. Und schließlich ist eine umfassende Bau- und Maßnahmenkoordination unverzichtbar.
* Vortrieb auf Basis von Reservekapazitäten ist die vorausschauende Verlegung zusätzlicher Glasfaser-Leitungen und Leerrohre während eines geförderten Breitbandausbaus (Weiße-Flecken-Förderung), um zukünftige Anschlüsse (auch nicht förderfähige Gebäude) ohne erneute Tiefbauarbeiten vorzubereiten. Auf dieser Grundlage konnten zu den Projekten Erweiterungen auf Basis der Graue-Flecken-Förderung beantragt werden.




