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Ahaus zählt zu den sichtbarsten kommunalen Digitalisierungsvorreitern in Deutschland. Gemeinsam mit dem Ahauser Unternehmen Tobit Software, das seit vier Jahrzehnten digitale Lösungen entwickelt, hat die Stadt eine Vielzahl an Anwendungen für Verwaltung, Stadtgesellschaft, Handel, Mobilität und Freizeit aufgebaut. Im Interview mit Thomas Spieker, Chief Digital Officer der Stadt Ahaus, und Dieter van Acken, Botschafter bei Tobit Software, sprechen wir über die Entstehung der Digitalstadt, Erfolge, Hindernisse und Zukunftsvisionen.

Auf dem Foto ist das Ortsschild der Digitalstadt Ahaus zu sehen.
Ortsschild „Digitalstadt Ahaus“. ©Tobit

Gigabitbüro des Bundes: Gehen wir zurück an den Anfang: Wie entstand die Digitalstadt Ahaus und wie kam die Kooperation mit Tobit Software zustande?

Dieter van Acken: Die Idee zur Digitalstadt entstand bei uns vor ungefähr acht Jahren. Da wir mit Tobit.Software auch in Ahaus sitzen, wollten und konnten wir als Unternehmen in Abstimmung mit der Stadt viel ausprobieren. Ob im Bereich Mobilitäts-Sharing, Gastronomie, Handel, Freizeit oder Tourismus – die Vielfalt der digitalen Angebote nahm stetig zu. Unser Ziel war es daher, diese unterschiedlichen Anwendungen zusammenzuführen, um die Nutzung für die Bürgerinnen und Bürger deutlich zu vereinfachen.

Dazu kamen dann die Themen Verwaltung und Stadtmarketing, die Thomas Spieker und Benedikt Homölle (Geschäftsführer, Ahaus Marketing & Touristik GmbH) mitgebracht haben. Und aus diesen drei Bereichen hat sich dann das Modell Digitalstadt entwickelt.

Thomas Spieker: Aus Verwaltungssicht hatten wir frühzeitig den Mehrwert der Ideen von Tobit für die Bürger erkannt und haben bereits 2018 eine Digitalisierungsstrategie auf den Weg gebracht. Daraus ist unter anderem auch meine Rolle des Chief Digital Officer (CDO) entstanden, um alle Bereiche zusammenzubringen. Und in Ahaus kommt man im positivsten Sinne an Tobit gar nicht vorbei. Man tauscht sich automatisch aus, macht Projekte gemeinsam, weil alle letztlich das gleiche Ziel hatten: die Stadt digital weiterentwickeln.

Gigabitbüro des Bundes: Ihr habt also sehr unterschiedliche Ausgangspunkte, aber ein gemeinsames Ziel: die Stadt digital weiterzuentwickeln. Was macht eure Digitalstadt besonders im Vergleich zu anderen Projekten?

Dieter van Acken: Eigentlich ist es einzigartig, was wir hier in Ahaus machen. Wir entwickeln hier auf einer digitalen Plattform Anwendungen und entscheiden auf Basis der Resonanz der Bürgerinnen und Bürger, ob daraus ein Produkt entsteht. Wir sind ja Softwarehersteller, wir bauen Standardlösungen. Das ist so wie bei einem Autohersteller; der baut ein Auto und das kann man kaufen. Und wenn man es tunen will, gibt man es zum Tuner. So ist das bei uns auch. Und Ahaus ist unser großes Reallabor – wobei es schon lange kein Labor mehr ist, weil alles echt genutzt wird.

Gigabitbüro des Bundes: Ihr habt gerade beschrieben, wie stark Ahaus als Reallabor funktioniert. Wie reagieren denn die Bürgerinnen und Bürger auf die digitalen Angebote?

Dieter van Acken: Wir sehen das ja direkt in der Anwendung. Manche sind begeistert, manche sehen das kritisch. Aber der Großteil hat das längst angenommen. Seit 20 Jahren bestellen die Leute in der Gastronomie per Smartphone, mieten Autos oder Fahrräder, nutzen Hotels komplett digital. Wir haben ganz viele Gäste, die kommen aus ganz Deutschland und schauen sich unsere Arbeit an und sagen: „Hey, das ist total crazy, was ihr da macht. Eigentlich muss es so sein, aber wir schaffen es nicht. Für euch ist das normal, für uns ist das die Zukunft.“

Thomas Spieker: Genau, und diese Normalität hat sich verstärkt, auch durch Corona. Wichtig ist für uns als Stadt: Wir müssen alle mitnehmen. Und wir schauen auf das, was getan wird. Bei vielen Verwaltungsdiensten sind Leute erst kritisch und am Ende nutzen 80–90 % die Online-Angebote. Das ist für uns am Ende der wahre Gradmesser.

Gigabitbüro des Bundes: Damit diese Anwendungen funktionieren, braucht es die passende Infrastruktur. Wo beginnt hier eure Verantwortung?

Thomas Spieker: Grundsätzlich aus Stadtsicht kann ich sagen, dass wir den Ausbau digitaler Infrastrukturen hochpriorisiert vorantreiben, genauso sind die weißen und grauen Flecken ein wichtiges Thema für uns. Wir haben beispielsweise gerade auch parallel ein LoRaWAN* aufgebaut, was für IoT-Netze und Anwendungen relevant ist. Ganz konkret sind wir auch dabei, das kostenfreie WLAN in unserer Stadt weiter auszubauen. Wir sehen da als Stadtverwaltung auch das Thema digitale Teilhabe oder digitale Daseinsvorsorge als einen großen Schwerpunkt für uns. Wir können nicht jeden Haushalt und jeden Verein in Ahaus mit Festnetz und Mobilfunkverträgen ausstatten. Das ist sicherlich dann auch Privatinteresse, aber gerade beim Thema Infrastruktur sehen wir uns klar in der Verantwortung.

Gigabitbüro des Bundes: Der Ausbau schafft also eine wichtige Basis, gleichzeitig gibt es Grenzen und Abhängigkeiten. Welche Stolpersteine sind euch in den vergangenen Jahren begegnet?

Dieter van Acken: Ein zentraler Stolperstein sind Missverständnisse: Man führt eine Neuerung ein, kommuniziert sie aber zunächst nicht vollständig. Dann entstehen Fehlinterpretationen. Das lösen wir durch transparente Informationen. Herausfordernd sind auch gesetzliche Rahmenbedingungen. Wir können nicht alles umsetzen, was technisch möglich ist, weil bestimmte Vorgaben klare Grenzen setzen. Am Ende sind die größten Hürden aber doch die eigenen gedanklichen Grenzen. Manchmal scheitert man nicht an äußeren Faktoren, sondern daran, ob man selbst an eine Idee glaubt oder nicht.

Thomas Spieker: Im kommunalen Umfeld sehen die Stolpersteine anders aus. Grundsätzlich fehlt in vielen Verwaltungen die Stringenz, die eine klare Digitalvision erfordert. Auch mit einer starken Vision – wie wir sie in Ahaus haben – stellt sich immer wieder die Frage: Wollen wir wirklich Digitalstadt sein?  Hinzu kommt die demokratische Struktur: Sie lebt vom Austausch unterschiedlicher Positionen. Das ist richtig und wichtig, führt aber dazu, dass Projekte langsamer vorankommen.

Ein weiterer Stolperstein ist der kulturelle Wandel. In Verwaltungen sind etablierte Strukturen und Abläufe fest verankert. Digitale Prozesse setzen jedoch voraus, dass man anders denkt. Diese Veränderung braucht Zeit. Aber wir sehen Fortschritte: Die Selbstverständlichkeit, digital zu arbeiten, wächst.

Gigabitbüro des Bundes: Ein Blick in die Zukunft: Was sind die nächsten Meilensteine?

Thomas Spieker: Ein großer Schwerpunkt für uns wird die Weiterentwicklung der Super-App sein. Wir wollen die Vielfalt der Anwendung im Bereich Freizeit, im Bereich Gastronomie und so weiter kombinieren mit den Angeboten der Stadt: Marketing für Events, für Ticketkäufe, für Gutscheine, für den Einzelhandel. Und wenn sie dann mal einen konkreten Bedarf haben, dann sind sie schon in der App und finden da auch direkt die Angebote. Das ist fortlaufend das, was gerade für uns als Stadt relevant ist: Wir haben die Digitalisierungsstrategie in diesem Jahr neu aufgelegt und gerade das Thema Digitalstadt wollen wir auch aus Rathaus-Sicht noch mal intensiver betrachten.

Gigabitbüro des Bundes: Die Digitalstadt Ahaus ist ein individuelles und besonderes Projekt. Ist das Modell auf andere Kommunen übertragbar? Und was würdet ihr ihnen mitgeben?

Dieter van Acken: Ja, absolut. Die Plattform ist übertragbar. Unsere Entwicklungen basieren auf einer gemeinsamen Plattform, einem Betriebssystem, das als Produkt nutzbar ist. Alle Anwendungen setzen auf dieser Plattform auf. Sie können von anderen Städten übernommen oder eigenständig weiterentwickelt werden. Die zentrale Identität (ID) verbindet alle Dienste, und eine Super-App bündelt sie anschließend für die Nutzerinnen und Nutzer. Diese Struktur bringt klare Vorteile: einheitliche Nutzerführung, ein zentrales Ökosystem, Skalierbarkeit.

Thomas Spieker: Genau, aus kommunaler Perspektive und meinen Erfahrungen aus den letzten sechs Jahren kann ich sagen, dass es ein Thema gibt, was man vorab betrachten sollte: Wir haben uns die Frage gestellt „Wer oder was sind eigentlich Ahaus und wer ist Ahaus.de?“. Und das sind natürlich die ganzen Vereine, Organisationen und Unternehmen (…) die es in der Stadt gibt. Daher sageich auch immer: „Ihr müsst euch nicht die Frage stellen, wie ihr euch als Stadtverwaltung vorstellt, sondern wie wollt ihr eure Stadt und die Bürger auf dieser Plattform darstellen?“ Das ist eigentlich die viel wichtigere Frage.

Dieter van Acken: Was es dann ergänzend dazu braucht, ist natürlich Mut, Durchhaltevermögen dranzubleiben und Konsistenz. Wenn man daran glaubt, dass das das Richtige ist, dann muss man das tun. Und ich glaube, das hat uns dahin gebracht, wo wir jetzt sind.

Die Gesprächspartner

Auf dem Bild ist Thomas Spieker zu sehen.
Thomas Spieker (Chief Digital Officer, Stadt Ahaus)

Thomas Spieker ist seit November 2019 Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Ahaus. Mit seiner Stabsstelle Digitalisierung verantwortet er Verwaltungsdigitalisierung, Smart-City-Strategien und berät Bürgermeisterin, Verwaltungsvorstand und Politik.

Dieter van Acken (Botschafter, Digitalstadt Ahaus und Tobit.Software)

Dieter van Acken ist seit 30 Jahren bei Tobit.Software tätig und heute als Botschafter für das Unternehmen und die Digitalstadt Ahaus unterwegs. Er vermittelt auf Bühnen, Veranstaltungen und Touren das Ahauser Digitalisierungsmodell und bringt es in die Welt.

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