Interview-Reihe: Aktivitäten der Bundesländer im Bereich Mobilfunk – Hessen
Digitale Dienste nutzen, immer und überall verfügbar sein – inzwischen sind mobile Anwendungen fester Bestandteil unseres Alltags und funkbasierte Übertragungstechniken damit unverzichtbar geworden. Um den weiteren Ausbau in Deutschland voranzubringen, gibt es, flankierend zu den Anstrengungen der Netzbetreiber, auch verschiedene Initiativen auf Bundesebene sowie auf Ebene der Länder.
In unserer Interviewreihe, die wir kontinuierlich erweitern werden, sprechen wir mit Vertretern verschiedener Bundesländer, wie sie den Mobilfunkausbau aktiv mitgestalten: Ganz aktuell stellt sich Torben Klose, Referatsleiter Mobilfunkausbau, WLAN, Grundsatzfragen der Netzpolitik in der Hessischen Staatskanzlei, unseren Fragen.
1. Die Gigabitstrategie für Hessen beinhaltet auch die Weiterentwicklung der Mobilinfrastruktur. Wie sehen in diesem Bereich Ihre aktuellen Aktivitäten aus?
Torben Klose: Im Sinne des Steuerzahlers forcieren wir grundsätzlich den marktgetriebenen Ausbau, wo wir nur können. Dafür gehen wir teils ganz neue Wege und haben unter anderem – als erstes Bundesland überhaupt – die Landesbauordnung angepasst, um den Ausbau unmittelbar zu erleichtern. Für solche Vorhaben hat sich die Bündelung in einem eigenen Ministerium für Digitalisierung und Innovation unter der Leitung von Ministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus sehr bewährt, da hierdurch unter anderem die volle Expertise und Zuständigkeit für die digitale Infrastruktur aus einer Hand gewährleistet wird.
Dank solcher und vieler weiterer Maßnahmen aus unserem gemeinsam mit den Mobilfunknetzbetreibern geschlossenen Mobilfunk-Pakt sind bereits heute 99,8 % der Haushalte in Hessen mit LTE versorgt. Das ist mehr als erfreulich und dennoch lautet unser Anspruch: keine Kommune soll sich abgehängt fühlen. Aus diesem Grund haben wir kürzlich unser Mobilfunk-Förderprogramm gestartet, in dessen Rahmen wir 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um durch die Errichtung von bis zu 300 Mobilfunkstandorten auch die allerletzten weißen Flecken in Hessen zu schließen.
2. Wie wird das aktuelle Mobilfunk-Förderprogramm angenommen?
Torben Klose: Bis ein Mast tatsächlich steht und funkt, braucht es natürlich einige Zeit. Dennoch stimmt uns die bisherige Resonanz sehr positiv. Schon im Vorfeld des Förderstarts hatten wir Online-Seminare für hessische Kommunen angeboten. Rund 100 Teilnehmer nahmen teil – vom Verwaltungsangestellten über die Bürgermeisterin bis hin zum Regierungspräsidenten. Von Landesseite werden wir alles dafür tun, dass die handelnden Personen in den Kommunen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. So haben wir beispielsweise als weitere Unterstützung für die Kommunen einen Leitfaden als Bedienungsanleitung für das Förderprogramm konzipiert sowie ein eigens eingerichtetes Mobilfunkportal mit allen relevanten Informationen und Ansprechpartnern aufgebaut. Mit der beim Breitbandbüro Hessen angesiedelten Kompetenzstelle Mobilfunk steht zudem eine zentrale Stelle jederzeit zur Beratung bereit.
3. Können Sie das Förderprogramm (und die beiden Fördervarianten) in Kürze beschreiben? Was sind Ihre bisherigen Erfahrungen aus der Praxis?
Torben Klose: Wie bereits eingangs gesagt, stellt die Landesregierung 50 Millionen Euro für die Neuerrichtung von bis zu 300 Masten bereit. Gefördert werden dabei die Kommunen mit einem Fördersatz von bis zu 90 % und die verbleibenden 10 % sind noch dazu über ein zinsfreies Darlehen finanzierbar und damit für die Kommunen gut zu bewältigen. Im Sinne der Ressourceneffizienz fördern wir interkommunale Zusammenarbeit. So sind beispielsweise aggregierte Anträge – idealerweise von Landkreisen – möglich und gewünscht. Zudem sind vielfältige Beratungsleistungen im Rahmen des Förderprozesses förderfähig, um auch kleinere Kommunen nicht mit dem für sie neuen Verfahren zu überfordern.
Förderfähige Gebietskulisse sind so genannte „Weiße Flecken“, also Gebiete ohne Sprachmobilfunk-Versorgung (2G). Ausgeschlossen sind naturgemäß alle Landesteile, die im Rahmen einer Versorgungsauflage aus den Frequenzversteigerungen zu versorgen sind, denn dort müssen die Betreiber in den kommenden Jahren eigenwirtschaftlich versorgen.
Den kommunalen Antragstellern stehen im Mietmodell zwei unterschiedliche Fördervarianten zur Verfügung: die Bauauftragsvariante und die Baukonzessionsvariante. Darüber hinaus werden Mobilfunkunternehmen gefördert, wenn sie Funkmasten des BOS-Digitalfunks für den Mobilfunk ertüchtigen und so schnell Mitnutzungen unter förderrechtlichen Voraussetzungen umsetzen.
Bei der Bauauftragsvariante ist die kommunale Gebietskörperschaft für Planung, Realisierung, Wartung und Instandhaltung verantwortlich. Für die konkrete Umsetzung kann eine externe Beauftragung mittels Ausschreibung – beispielsweise für Planung und Bau – erfolgen.
In der Baukonzessionsvariante werden Planung, Realisierung, Wartung und Instandhaltung auf Grundlage der vorvertraglich gesicherten Liegenschaft und weiteren Spezifikationen von den Konzessionären ausgeschrieben. Die Umsetzung erfolgt durch den Konzessionär, die kommunale Gebietskörperschaft bleibt dabei Fördermittelempfänger.
Zwischen beiden Varianten kann der Antragsteller frei wählen, er ist jedoch nach erfolgter Antragstellung an diese Entscheidung gebunden.
4. Wie unterstützen Sie Kommunen, geeignete Standorte zu finden, sodass hierfür nach Errichtung der passiven Infrastruktur auch ein Netzbetreiber für den Betrieb gefunden wird?
Torben Klose: Der Prozess der Standortsuche erfolgt im Dialog zwischen Netzbetreibern und den Antragstellern. Darin liegt ein hessisches Alleinstellungsmerkmal. Denn dadurch wird das funknetzplanerische Know-how der Netzbetreiber mit der lokalen Expertise und den Kontakten der Kommunen kombiniert. Dabei wird dieser Prozess von unserer Kompetenzstelle Mobilfunk eng begleitet.
Des Weiteren wird im Rahmen des Förderprogramms geförderte Infrastruktur nur dann errichtet, wenn sie anschließend auch von mindestens einem Netzbetreiber verwendet wird. Dies wird mit entsprechenden Vorverträgen sichergestellt. Gleichzeitig hat jeder der anderen Betreiber das Recht, den Mast auf Wunsch mit zu nutzen.
5. Sie haben die sehr gute hessische LTE-Versorgung von mehr als 99,8 Prozent der Haushalte eingangs angesprochen. Können Sie sagen, wann die 100%-Marke fällt und auch die letzten Funklöcher beseitigt sein werden?
Torben Klose: Zunächst einmal möchte ich eines betonen: Eine lückenlose einhundertprozentige LTE-Versorgung ist aufgrund der Geländemorphologie nicht möglich. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Funkwellen nicht sämtliche Materialien durchdringen können. Hierdurch entstehen hinter Erhebungen, beispielsweise in hügeligen Regionen mit großen Reliefunterschieden, Funkschatten.
Dennoch gibt es für uns keinen Zweifel: wir werden die bereits sehr gute Versorgung Hessens weiter spürbar verbessern. Durch den marktgetriebenen Ausbau sowie die weitreichenden Versorgungsauflagen aus den Frequenzversteigerungen 2019 gelingt uns das. So werden auf Basis unseres Mobilfunkpakts jeden Tag in Hessen im Durchschnitt fünf Mobilfunkstandorte neu errichtet oder modernisiert. Weiterer wichtiger Baustein ist das angesprochene Förderprogramm, durch welches auch die ländlichen Kommunen eine signifikante Verbesserung der digitalen Infrastrukturen erfahren werden. Damit sorgen wir für die Umsetzung von gleichwertigen Lebensverhältnissen im Land.
6. Inwieweit spielt der 5G-Ausbau bei den aktuellen Mobilfunk-Aktivitäten schon eine Rolle? Werden hier Anreize gesetzt, um künftige Anforderungen bereits heute zu berücksichtigen?
Torben Klose: Eine sehr große sogar. 5G ist in Hessen keine Zukunftsmusik. So wurden in unserem Bundesland bereits weit mehr als 1.000 5G-Standorte realisiert. Auch im Rahmen der beschriebenen Online-Seminare wurden die Kommunen mit vielfältigen Informationen versorgt, um 5G-Skeptikern vor Ort argumentativ entgegentreten zu können.
Was viele vergessen: um das volle Potenzial des neuen 5G-Standards nutzen zu können, braucht es eine Glasfaser-Anbindung der Sendeanlage. Ministerin Prof. Dr. Sinemus war es deshalb nach Amtsantritt ein besonderes Anliegen, die Glasfaser-Versorgung der Gewerbegebiete besonders voranzutreiben – und das mit Erfolg: Laut neuesten Daten des Bundesbreitbandatlas liegen wir hier im bundesweiten Vergleich mittlerweile auf Platz 1 der Flächenländer. Das ist toll, aber kein Selbstzweck, denn so schaffen wir für Wirtschaft und Bürger ein exzellentes schnelles Mobilfunknetz als wichtige Grundlage für Wachstum und Wohlstand!