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Der Ausbau von Gigabit-Netzen ist eine zentrale Herausforderung, um auch zukünftig von den Chancen der Digitalisierung profitieren zu können. Damit dieser Ausbau möglichst flächendeckend erfolgt, werden die Investitionen der Telekommunikationsunternehmen durch Förderprogramme auf Bundes- und Länderebene ergänzt – so sollen Gigabitnetze auch dort entstehen, wo sie ansonsten nicht errichtet würden. Entsprechend engagiert wurde und wird in diesem Zusammenhang das Thema der Aufgreifschwelle für das neue Förderprogramm diskutiert. Der Freistaat Bayern hat Anfang 2020 mit der Bayerischen Gigabitrichtlinie ein Förderprogramm an den Start gebracht, das die Erschließung grauer NGA-Flecken ermöglicht.

Geisler Bernd, Regierungsdirektor Referat 75
Geisler Bernd, Regierungsdirektor Referat 75 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat

Bayern war damit EU-weit Vorreiter. Im Gespräch mit dem Gigabitbüro des Bundes erläutert Bernd Geisler, Regierungsdirektor Referat 75, Digitale Erschließung Bayerns (Breitbandausbau) im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, die Eckpunkte des Förderverfahrens und wie das Förderprogramm mit Aufgreifschwellen von 200 Mbit/s (symmetrisch) für gewerblich genutzte Anschlüsse und 100 Mbit/s (im Download) für Privathaushalte den Gigabitausbau in Bayern voranbringen wird.

Können Sie uns die wichtigsten Eckpunkte zur Bayerischen Gigabitrichtlinie (BayGibitR) nennen?

Bernd Geisler: Zentrale Neuerungen gegenüber der bisherigen bayerischen Breitbandricht­linie sind die Ausweitung der Breitbandforderung auf graue NGA-Flecken, die Differenzierung zwischen privaten und überwiegend beruflich/gewerblich genutzten Anschlüssen und die Möglichkeit zur Umsetzung von Betreiber­modellen. Von der neuen Förderung profitieren gewerblich genutzte Anschlüsse, sofern diesen aktuell oder durch eigenwirtschaftlichen Ausbau in den kommenden drei Jahren noch kein Netz mit Bandbreiten von 200 Mbit/s symmetrisch (Up- und Download) zuverlässig zur Verfügung steht. Privathaushalte können profitieren, soweit eine zuverlässige Versorgung mit 100 Mbit/s im Download nicht gegeben oder zumindest absehbar ist. Bei einer Versorgung mit mind. 500 Mbit/s im Download – dies betrifft vornehmlich die über das Koaxialkabelnetz (mind. mit dem Standard DOCSIS 3.1) versorgten Anschlüsse – scheidet eine Förderung grundsätzlich aus. Die Anschlüsse von Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern, Behördenstandorten und anderen sozioökonomischen Schwerpunkten werden im Förderverfahren wie Gewerbeanschlüsse behandelt. Die genannten Bandbreiten („Aufgreifschwellen“) müssen gemäß Wortlaut der BayGibitR zuverlässig zur Verfügung stehen. Der Begriff „zuverlässig“ ist hierbei mit der „minimale[n], … zur Verfügung stehende[n]“ Bandbreite gleichzusetzen, wie sie gemäß §1 Abs. 2 Nr. 5 TK-Transparenzverordnung in Produktinformationsblättern von TK-Anbietern für alle Angebote von lnternetzugangsdiensten anzugeben ist.

Im Fall von Produkten, die auf der Basis von Vectoring angeboten werden, liegt dieser Wert im Download klar unter 100 Mbit/s. Bei Einsatz von Super-Vectoring sind dagegen Bandbreiten, die klar Ober 100 Mbit/s im Download liegen, üblich. Folglich sind Privatadressen mit buchbaren Vectoring-Produkten, für die keine Aufrüstung auf Super-Vectoring absehbar ist, grundsätzlich förderfähig. Gewerbeadressen sind auch im Fall einer Super-Vectoring-Versorgung förderfähig, da mit dieser Technologie i.d.R. keine Bandbreite im Upload von mind. 200 Mbit/s erreicht wird. Gewerbeadressen mit einer bestehenden oder zumindest absehbaren FTTB- oder Koaxialkabelversorgung (die wenigstens auf den Standard DOCSIS 3.1 aufgerüstet wird) können nicht im Förderverfahren berücksichtigt werden. Hier greift die generelle Aufgreifschwelle von mind. 500 Mbit/s im Download. Eine Förderung in schwarzen NGA-Flecken ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Können Sie in wenigen Worten den Ablauf des Förderverfahrens skizzieren – wie aufwendig ist die Antragstellung?
Bernd Geisler: Der Ablauf des Förderverfahrens orientiert sich an den bewährten Prozessen der bisherigen bayerischen Breitbandförderung. Nach Bestandsaufnahme und Markerkundung – hier unterstützen die Ämter für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (ADBV) die Kommunen durch die Bereitstellung der notwendigen Adresslisten – veröffentlicht die Gemeinde ein Auswahlverfahren: Im Wirtschaftlichkeitslückenmodell für Bau und Betrieb eines Netzes, im Betreibermodell für den Netzbetrieb. Im Betreibermodell folgt im Regelfall ein Vergabeverfahren für die Errichtung der passiven Infrastruktur. Mit dem Ergebnis des/der Auswahlverfahren(s) stellen die Gemeinden einen Antrag bei der örtlich zuständigen Bezirksregierung. Der gesamte Prozess wird durch Musterdokumente unterstützt.

Wie unterstützt der Freistaat Kommunen bei der praktischen Umsetzung? Und was sind Ihrer Meinung nach die großen Herausforderungen in der praktischen Umsetzung für Kommunen?
Bernd Geisler: Wie bereits bei der bisherigen Breitbandförderung wurde ein schlankes und für die Zuwendungsempfänger unbürokratisches Förderverfahren angestrebt. Bewährte Elemente, wie die Bereitstellung von Musterdokumenten und Mustervertragen und die umfassende Vor-Ort-Beratung durch die Breitbandmanager der Ämter für Digitalisierung, Breitband und Vermessung wurden beibehalten. Eine besondere Neuerung ist die Abwicklung des Förderprozesses auf Basis standardisierter Adresslisten. Zum Einstieg in ein Förderverfahren erhalten die Gemeinden vom zuständigen Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung eine Liste der amtlichen Hauskoordinaten, die um Erkenntnisse zur aktuellen Versorgung ergänzt ist. Diese Liste kann vor der Gemeinde um eigene – ggf. aktuellere – Erkenntnisse ergänzt werden und bildet die Grundlage für die Markterkundung.

Nach dem Markterkundungsverfahren wird die Liste entsprechend der Rückmeldungen der Netzbetreiber aktualisiert – versorgte Adressen werden z.B. gestrichen und bilden wiederum die Grundlage für das sich anschließende Auswahlverfahren, als Teil des Leistungsverzeichnisses. Durch dieses Vorgehen ist das Erschließungsgebiet adressgenau definiert und die Angebote im Auswahlverfahren werden vergleichbar. Die Adressliste ist zudem Grundlage für den Förderantrag und dient in der Folge auch der Dokumentation des Verfahrens. Die Breitbandmanager prüfen zwischen den einzelnen Verfahrensschritten die Listeneintrage mit Hilfe eines selbst entwickelten Online-Tools auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit. Insgesamt wird der gesamte Prozess dadurch vereinheitlicht und letztendlich für alle Beteiligten beschleunigt.

So mancher Anbieter schreckt vor den komplexen Anforderungen der Förderprogramme zurück insbesondere die komplexen Dokumentations- und Nachweisanforderungen. Wie motivieren Sie insbesondere auch kleinere Netzbetreiber zur Teilnahme am Verfahren?
Bernd Geisler: Mit den bereitgestellten Musterdokumenten, auch zur Dokumentation des Verfahrens und insbesondere mit den Musterkooperationsvertragen werden neben den Gemeinden auch die Netzbetreiber unterstützt, da damit ein hoher Grad an Standardisierung erreicht wird. Sobald ein Netzbetreiber sich auf diesen Förderprozess eingestellt hat – insbesondere zum Umgang mit den bereitgestellten Adresslisten – können die Markterkundungs- und Auswahlverfahren deutlich schneller bedient werden. Die ersten Verfahren sind gut angelaufen und es zeigt sich, dass die Netzbetreiber mit der adressgenauen Arbeitsweise gut umgehen können. Hinsichtlich der Dokumentations-­ und Nachweispflichten gilt das Motto: „So viel wie nötig, nicht so viel wie möglich!“. Auf detaillierte Vorgaben, z.B. bei der Erstellung von zusätzlichen Kartenunterlagen, wurde bewusst verzichtet. Dass nach dieser Maßgabe bereits die bisherige Bayerische Breitbandrichtlinie gut umsetzbar war, wurde uns in den vergangenen Jahren regelmäßig von allen Beteiligten bestätigt.

Hat das StMFH bzw. das Breitbandzentrum Amberg die „grauen Flecken“ in Bayern analysiert – was für ein Prozentsatz der Adressen in Bayern liegt in „grauen Flecken“ ?
Bernd Geisler: Aus den uns bekannten Erschließungsgebieten der Förderprojekte, Erkenntnissen aus Markterkundungen, Erhebungen der Breitbandmanager vor Ort, direkten Rückmeldungen von Netzbetreibern und auch durch den Breitbandatlas des Bundes hat das Bayerische Breitbandzentrum einen guten Überblick über die aktuelle Versorgungssituation in Bayern. Unter Berücksichtigung von vorhandenen oder im Bau befindlichen FTTB-Anschlüssen, den bestehenden HFC-Netzen, Gebieten die bereits von zwei Netzbetreibern mit mind. 30 Mbit/s versorgt sind (schwarze NGA-Flecken) und weiterer Abschätzungen, beträgt die Anzahl voraussichtlich förderbarer Adressen in weißen und grauen NGA-Flecken rund eine halbe Million.

Haben Sie Bedenken, dass das neue Förderprogramm zu einem Super­Vectoring-Ausbau der lokalen FTTC-Betreiber führt – statt zu einem Ausbau mit Glasfaser? Welche Mechanismen haben Sie vorgesehen, um ein solches Vorgehen zu verhindern?
Bernd Geisler: Von den Bandbreiten, die Super-Vectoring ermöglichen, profitieren vornehmlich die Adressen in der näheren Umgebung eines DSLAM. Folglich ist die Anzahl potenzieller Kunden für höherwertige Produkte (Tarife) für Netzbetreiber überschaubar. Mit dem jetzigen Förderprogramm bietet sich vielerorts die Möglichkeit, nach dem ersten Schritt FTTC, jetzt den zweiten und damit letzten Schritt hin zu FTTB zu gehen – und das mit staatlicher und kommunaler Unterstützung. Wir sind sicher, dass dies den Netzbetreibern bewusst ist. Im Übrigen: Der Unterhalt von reinen Glasfasernetzen gestaltet sich am Ende günstiger, als der der in die Jahre gekommen Kupferinfrastruktur und der DSLAMs mit ihrem hohen Energiebedarf.

Wie lief der Notifizierungsprozess auf EU-Ebene ab?
Bernd Geisler: Die ersten Ideen für eine Förderung in grauen NGA-Flecken sind bereits Ende 2016 entstanden. Konkrete Gespräche mit der Europäischen Kommission folgten im ersten Halbjahr 2017. Aufgrund der Neuartigkeit der Förderung in grauen NGA-Flecken wurde der Weg über eine pilothafte Förderung gewählt, nicht zuletzt, um auch die praktische Umsetzbarkeit und die Reaktion von vor Ort tätigen Netzbetreibern abschätzen zu können. Zwischen der Voranmeldung der Pilotförderung im Juni 2017 und der letztendlichen Genehmigung im Dezember 2018 wurde eine öffentliche Konsultation durchgeführt und u.a. Themen wie tatsächlicher Bedarf, Technologieneutralität, Abgrenzung zu schwarzen NGA-Flecken und eigenwirtschaftliche Nutzung von geförderter Infrastruktur intensiv diskutiert. Trotz zahlreicher Rückfragen der Europäischen Kommission waren die Gespräche stets konstruktiv und zielorientiert. Die Pilotförderung hat am Ende auch zu einer beschleunigten Genehmigung der Bayerischen Gigabitrichtlinie am 29. November 2019 beigetragen.

Was können Sie anderen Ländern bzw. Landeskompetenzzentren empfehlen, wenn diese auch über ein Graue-Flecken-Förderprogramm nachdenken? Was sind die wichtigsten Aspekte, auf die geachtet werden sollen?
Bernd Geisler: Die drei Säulen der bayerischen Breitbandförderung waren stets: Attraktive Förderkonditionen, schlanke Förderprozesse, umfassende Beratung und Begleitung im Verfahren. Im Kern geht es darum, die bekannte „letzte Meile“ aufzurüsten. Die Kostendimension ist absehbar eine andere als bei einem FTTC-Ausbau. Den Gemeinden ist die Notwendigkeit des Breitbandausbaus bewusst, sie dürfen allerdings bei dieser – letztendlich freiwilligen – Aufgabe nicht überfordert werden. Jedes Förderprogramm steht und fallt mit den Konditionen. Neben attraktiven Fördersätzen (80%, 90%) wird Gemeinden mit einer Härtefallregelung bei besonders kostspieligen Projekten unter die Arme gegriffen. Schlanke und unbürokratische Förderprozesse haben sich bewährt. Alle am Breitbandausbau profitieren, insbesondere Gemeinden, Netzbetreiber und Bewilligungsbehörden. Einfache Prozesse sparen Ressourcen, die für den eigentlichen Bau der Netze genutzt werden können und beschleunigen die Projekte insgesamt.
Auch wenn nahezu alle Gemeinden in den letzten Jahren Erfahrungen beim Breitbandausbau gesammelt haben, bleiben Ansprechpartner vor Ort unverzichtbar. Eine flachendeckende Beratung zu den Fördermöglichkeiten trägt zum Erfolg einer Förderinitiative von Anfang an bei.

Wie weit sind die ausgewählten Pilotgemeinden aktuell bereits?
Bernd Geisler: Nach Genehmigung der bayerischen Pilotförderung im Dezember 2018 sind alle Pilotgemeinden unmittelbar in ein Förderverfahren gestartet. In allen Gemeinden wurde ein Netzbetreiber ausgewählt. Vier Gemeinden haben bislang einen Förderbescheid erhalten und einen Kooperationsvertrag mit dem ausgewählten Netzbetreiber geschlossen. Seit 3. August ist das erste Pilotprojekt – Stadt Berching – in Betrieb.

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